alte traditionen und eine zufällige begegnung mit dem Präsidenten
Nusa Lembongan, Bali | Mai 2023 | Autoren: Dominik, Andrea | Bilder: Andrea
Wir dachten uns schon, dass die Insel Flores weniger touristisch werden würde. Und das war es auch: Bereits im kleinen Propeller-Flugzeug von Labuan Bajo nach Ende, weiter östlich auf Flores, reisen wir unter lauter Einheimischen. In Ende angekommen bleiben dann auch einige Personen im Flugzeug für den Weiterflug nach Kupang sitzen. Unser Ziel ist das kleine Bergdorf Moni. Mit Reggaemusik werden wir von Nyoman, einem gross gewachsenen Lockenkopf, abgeholt und nach Moni chauffiert. Vorbei an Wäldern und Hügeln, die uns ans Tessin erinnern. Dazwischen säumen Palmen, Reisfelder und ein Meer von Bananenbäumen die Strasse. Unser einfaches Homestay in Moni heisst uns mit einer Vielzahl an Mücken willkommen. Wlan gibt’s keines, dafür ein Outdoor-Badezimmer (die Mücken besuchen einen hier auch unter der Dusche) und einen halben Bauernhof direkt vor der Zimmertür. Nach dem „Family Dinner“ verkriechen wir uns unter dem Moskito-Netz und stellen den Wecker auf 4 Uhr. Unser Vorhaben, zum Sonnenaufgang den Vulkan Kelimutu zu besuchen, fällt jedoch sprichwörtlich ins Wasser: Es regnet die ganze Nacht über in Strömen. Irgendwann nach leckeren Banana Pancakes zum Frühstück entscheiden wir uns, den Versuch zu wagen. Nyoman fährt uns weitere paar hundert Höhenmeter hoch – die restlichen Meter spazieren wir zu Fuss zum Kraterrand. Wir sind die einzigen, die zu dieser Uhrzeit die drei verschiedenfarbigen Kraterseen, umgeben von karstiger Vulkanlandschaft, bestaunen. Auf dem Rückweg lädt uns Nyoman bei einer heissen Quelle aus. Diese dient den dort wohnhaften Leuten unter anderem als Badewanne. Während nebenan die Einheimischen Haare waschen, gönnt sich Dominik ein kurzes Bad – Andrea ist das trübe Wasser etwas zu dreckig. Auch der Besuch des Wasserfalls mit einer sehr rudimentären und wackeligen Bambusbrücke ist eine sehr authentische Erfahrung – das echte indonesische Leben eben.
Weiter geht’s am nächsten Tag nach Bajawa. Beim Busterminal werden wir von aufdringlichen Taxifahrern angesprochen. Die Busse würden erst in drei oder vier Stunden fahren, sagen sie. Da wir es nicht besser wissen, steigen wir nach Diskussionen schliesslich in ein geteiltes Taxi ein. Der Fahrer nutzt unsere Fahrt auch gleich zum Transport von unzähligen Kisten, die er unterwegs Postboten-mässig abholt bzw. abliefert – so läuft das hier. In Bajawa erwartet uns ein einfaches Homestay mit einer einzigen Steckdose im Zimmer. Unser erster Eindruck der Stadt: sehr authentisch und kaum touristisch - die Bedienung im Restaurant kann kein Englisch und das Zmittag kostet 3 Franken für uns beide. An jeder Ecke werden wir begrüsst und interessiert betrachtet. Wir erkunden die Umgebung am nächsten Tag mit einem Guide. Jeremy zeigt uns das traditionelle Dorf Luba mit Clan-Strukturen und strengen Vorgaben und Regeln. Bei der Hochzeit zieht der Mann ins Elternhaus der Frau und bezahlt seine künftigen Schwiegereltern mit Büffeln, Schweinen und Hühnern. Die Gebäude sind aus Bambus und Lehm gebaut, die Gräber der Verstorbenen befinden sich neben dem Hauseingang. Auch Zeremonien mit lebendigen tierischen Opfergaben zum Gedenken an die Ahnen seien üblich. Uns kommt es vor, als wären wir 100 Jahre zurückversetzt worden. In unmittelbarer Nähe zum Dorf Luba trifft ein kalter Fluss auf einen durch vulkanische Aktivitäten warmen Fluss. Am Ort, wo sich die beiden Fliessgewässer begegnen, treffen sich sowohl Einheimische als auch Touristen, um im angenehm temperierten Wasser zu baden. Wir planschen zwei Stunden im naturbelassenen Flussbett und freuen uns ab dem heissen Wasser. Zum Abschluss des Tages besuchen wir den Aussichtspunkts Wolobobo. Leider verdecken uns aufziehende dicke Wolken den Blick auf die untergehende Sonne. Verschiedene einheimische Jugendliche nutzen den Moment und fragen uns, ob wir mit ihnen auf einem Foto posieren. Ein weiterer Beleg dafür, abseits von den Touristenströmen zu sein. Zurück im Homestay diskutieren wir mit dem Inhaber und seinem Neffen Ignazio den Wetterbericht. Schliesslich soll es morgen früh auf den nahegelegenen Vulkan Inerie gehen. Die Einheimischen schenken dem unguten Wetterbericht weniger Glauben als dem eigenen Gefühl. Den finalen Entscheid fällen wir vor dem Abmarsch.
2 Uhr mitten in der Nacht. Der Wecker klingelt. Ignazio schätzt das Wetter als passend für die Vulkanbesteigung ein. Dominik traut dem bedeckten Himmel und dem unverändert schlechten Wetterbericht nicht. Wir lassen uns von den einheimischen Wetterkenntnissen überzeugen. Mit einem deutschen Paar und zwei lokalen Guides marschieren wir um 2.30 Uhr los. Auf einen schmalen Pfad durch bewaldetes Gebiet folgt ein immer steiler werdender Weg über die mit Gras bewachsene Bergflanke. Rutschige Passagen, umherliegendes Vulkangestein und grosse Stufen machen das Vorankommen in kompletter Dunkelheit herausfordernd. Der Himmel hält sich bedeckt, die Windböen nehmen zu und schwacher Nieselregen setzt ein. Und innert wenigen Sekunden öffnet der Himmel seine Schleusen. Starker Regen prasselt auf uns nieder. Trotz Regenjacken sind wir innert kürzester Zeit bis auf die Unterwäsche nass. Der Regen stoppt nicht. Unsere Guides – nur in Pullover und Jeans gekleidet und einer Plastiktüte mit ihren wichtigsten Utensilien in der Hand – laufen weiter dem Vulkankrater entgegen. Um 4.15 Uhr und damit in der Hälfte des rund 3-stündigen Aufstiegs intervenieren wir Gäste bei unseren Guides und fragen sie, wie ihre Einschätzung der Lage ist. Nachdem sie die Situation ebenfalls als nicht ideal einstufen, beschliessen wir die Umkehr. Nach dem Abstieg fühlen wir uns müde sowie ernüchtert und frustriert. Die Guides mögen den Weg auf den Vulkan kennen, erschienen uns aber mit der Bewertung der schlechten Wettervorhersage und beim Wetterumsturz völlig überfordert. Die westlichen Erwartungen an einen Guide für eine anspruchsvolle Vulkanbesteigung sind hier mitten auf der Insel Flores fehlplatziert. Wir spülen die Ernüchterung mit einer heissen Dusche herunter und freuen uns darüber, im Dorf eine Wäscherei gefunden zu haben, welche unsere nassen Kleider innert zwei Stunden wäscht und trocknet. Neben überforderten Guides finden wir im abgelegenen Bajawa somit auch die schnellste Wäscherei auf unserer gesamten Reise.
Um halb acht am nächsten Morgen hält ein in die Jahre gekommenes bunt bemaltes Gefährt vor dem Homestay. Unser Bus nach Ruteng. Unser Gepäck wir im Nu auf dem Dach des Buses platziert. Auf unsere Frage hin, ob das Gepäck festgezurrt wird, erhalten wir ein Lächeln des Busfahrers zurück – er kann kein Englisch. Wir vertrauen ihm. Der kleine Bus ist rund zur Hälfte gefüllt. Uns fallen insbesondere die älteren Passagiere auf. Mit dem Blick auf ihre Kleider scheinen sie über sehr wenig finanzielle Mittel zu verfügen. Wir sind im lokalsten aller Transportmittel unterwegs. Im Bus wird geraucht, geschlafen, gelacht und indonesische Musik gehört. Auf der kurvigen Strasse geht es nur langsam voran, in den vielen Steigungen heult der Motor auf. 4,5 Stunden später treffen wir in Ruteng ein. Nach einem lokalen Gericht namens Gado-Gado zum Mittagessen holt uns Jeff, der Eigentümer unserer Unterkunft, ab. Das etwas ausserhalb von Ruteng gelegene „Sun Rice“ Homestay verfügt über einige einfache Zimmer, eine kalte Dusche und eine schöne Aussicht über Reisfelder. Den ganzen Nachmittag über plaudern wir mit einem deutschen Paar aus Stuttgart. Es ist bereichernd, wie viele unterschiedliche Leute wir auf unserer Reise durch Flores kennenlernen. Zum Abendessen sitzen alle Gäste – bekleidet mit einem geliehenen Sarong – und Jeff auf dem Boden der Terrasse. Die Frau von Jeff serviert Reis, Gemüse, Fisch und den besten je gegessenen Tempeh. Als Nachtisch schenkt uns Jeff den aus Palmsaft bestehenden lokalen Schnaps namens Arrak aus. Nicht jeder findet Gefallen an diesem Getränk. Zumindest hindert uns der Alkohol nicht daran, um 5 Uhr morgens aufzustehen, um uns mit Jeff und anderen Gästen den Sonnenaufgang anzusehen. Jeff läuft mit eiligen Schritten voraus und bahnt sich seinen Weg durch die Reisfelder. Wir versuchen mitzuhalten. Der Blick über die endlos scheinenden Reisfelder und die darüber aufgehende Sonne sind beeindruckend. Jeff fotografiert uns mit unseren Handys aus allen Perspektiven; ausstaffiert mit einem von Jeff erhaltenen bunten Reisfarmer-Hut verkommen die Fotos zu sehr touristischen Bildern. Nach einem äusserst schmackhaften gebratenem Reis zum Frühstück sitzen wir wenig später im Bus nach Labuan Bajo. Obwohl wir die Bus-Erfahrung in der "Holzklasse" gefeiert haben, wollte uns Jeff einen komfortableren Bus buchen. Jedoch ist auch dieser Bus ein älteres Modell und einmal mehr sind wir die einzigen Passagiere, die nicht Indonesisch sprechen. Über die bequemeren Sitze sind wir dennoch dankbar. Vier Stunden später sind wir zurück am Ausgangspunkt in Labuan Bajo. Die Zufahrt zum Hotel wird uns verwehrt: Aufgrund des ASEAN Kongresses, wo die Präsidenten von einem Dutzend Südostasiatischer Länder zusammenkommen, treffen wir auf gesperrte Strassen, tausende Polizisten und viel organisiertes Chaos. Wir tragen unsere mittlerweile schweren Rucksäcke also den Hügel hoch und fragen uns einmal mehr, warum dieser Kongress in diesem kleinen Touristendorf stattfindet. Die spektakuläre Aussicht auf den Hafen von Labuan Bajo direkt vom Hotelzimmer entschädigt: Wir staunen über die eindrückliche Infrastruktur, die am Hafen von Labuan Bajo eigens für diesen Event gebaut wurde. Wer diese Bauten – ein überdimensioniertes Kongresshaus, eine moderne Arena samt Konzertbühne, hunderte Elektroladesäulen, etc. – in Zukunft nutzen soll und wie das alles wohl in 10 Jahres aussehen mag, steht in den Sternen.
Auf dem Weg zur Pizzeria - wir lieben die indonesische Küche, aber nach sechs Tagen im Hinterland könnte eine Pizza kaum besser schmecken – beginnt es in Strömen zu regnen. Mit Flipflops und Schirm warten wir am Strassenrand, bis wir die Strasse queren können. Unzählige Polizeiautos fahren vorbei. Zwei junge Indonesier gesellen sich zu uns und sagen etwas von einem Präsidenten, der da kommen soll. Wir lassen die beiden unter unseren Schirmen unterstehen und plötzlich rollen ein Dutzend modernster Elektro-Limousinen heran. Die Autos sind mit den jeweiligen Flaggen gekennzeichnet und hinter den verdunkelten Scheiben sitzen wohl gerade die Präsidenten der teilnehmenden Länder. Diese hätten gerade den Sonnenuntergang am Hafen betrachtet, erzählt uns einer der beiden Einheimischen. Was für eine lustige Erfahrung! Wir verabschieden uns von den zwei Indonesiern – die das ganze per Handy filmisch festgehalten haben – und gönnen uns die wohlverdiente Pizza und ein kühles Bier. Gute Nacht!